Samstag, 14. Mai 2016

Mit Plutarch und “Leichenschmaus“ für die Rechte der Tiere

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Helmut F. Kaplan im Interview

Denn die Schimäre einer moralischen Kluft zwischen Menschen und Tieren, die immer noch in der Ethik herrscht, habe vor allem religiöse Ursachen: “Zum Beispiel den Glauben, dass nur der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen sei und nur er eine unsterbliche Seele habe. Würden wir endlich ernst nehmen, was wir seit Darwin wissen – dass es EINE Evolution ALLEN Lebens gab und gibt –, würde diese Kluft verschwinden, und wir würden unsere moralische Verantwortung auch gegenüber Tieren erkennen.“

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Mit Plutarch und “Leichenschmaus“ für die Rechte der Tiere Der österreichische Philosoph Helmut F. Kaplan vertritt einen konsequent ethisch begründeten Vegetarismus Weihnachten ist ihm ein Gräuel, die Befreiung der Tiere sieht er als die logische Fortsetzung der Sklavenbefreiung, und den Fleischverzehr nennt er “Leichenschmaus“. So lautet auch der Titel seines populärsten Buches, das die Zeitschrift “Focus“ als “Bibel der Radikalvegetarier und Tierbefreier“ bezeichnete. Der Autor, der österreichische Philosoph Helmut F. Kaplan, ist der bekannteste Theoretiker der Tierrechtsbewegung im deutschsprachigen Raum.

 

“Unerträgliche, unübertroffene, grauenvolle Verlogenheit.“ So sieht Helmut F. Kaplan Weihnachten, das in unserem “christlichen Abendland“ als schönstes Fest des Jahres gilt. Auf die Frage, ob diese Häufung negativer Superlative nicht sehr übertrieben sei, begründet der 54-jährige Österreicher im Gespräch diese irritierende Charakterisierung: “Im Gegenteil, der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit kann mit Worten kaum drastisch genug ausgedrückt werden: Es wird gefeiert, gesungen, man ist zu Tränen gerührt – und das bei einem Fest, das alljährlich für Millionen nicht menschlicher Kreaturen ein Massaker bedeutet. Auf der einen Seite das Gerede von Liebe und Vergebung, auf der anderen Seite das Gemetzel in den Schlachthöfen.“

 

Die Lösung dieses Widerspruchs und damit die Auflösung solcher nicht nur weihnachtlichen Verlogenheit befindet sich für Kaplan buchstäblich vor unserer Nase – auf dem Teller. Er verweist auf den griechischen Philosophen Plutarch, der bereits vor über zweitausend Jahren schrieb:

“Für einen Bissen Fleisch nehmen wir einem Tier die Sonne und das Licht und das bisschen Leben und Zeit, an dem sich zu erfreuen seine Bestimmung gewesen wäre.“

 

Fleischverzicht mit 11 Jahren

Als sich der Salzburger 1963 entschloss, fortan kein Fleisch mehr zu essen, waren ihm weder Plutarch noch andere Geistesgrößen ein Begriff. Es gab auch kein Schlüsselerlebnis für diese Zäsur. Der 11-jährige Junge hatte einfach genug vom Anblick der blutigen Auslagen in den Metzgerläden, der zerstückelten Kreaturen in den Fleischregalen, der mit Eis beschütteten toten Fische in den Lebensmittelgeschäften.

Dem vor allem emotional begründeten Entschluss, nicht mehr mitschuldig sein zu wollen am millionenfachen Töten von Tieren, folgte die Suche nach den richtigen Argumenten. Sie war später maßgeblich für Kaplans Entscheidung, ab 1975 Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg zu studieren. Mit einer Arbeit zu Freuds Psychoanalyse promovierte er dort zum Doktor der Philosophie.

 

Mitte der 80er Jahre begann Kaplans intensive Beschäftigung mit der Philosophie der Tierrechtsbewegung. Österreich und die anderen deutschsprachigen Staaten waren damals Entwicklungsländer, was die Bewertung und Behandlung von Tieren betraf. Dagegen hatten sich im englischsprachigen Raum in dieser Hinsicht bereits revolutionäre Veränderungen vollzogen. Der traditionelle Tierschutz war durch eine Tierrechtsbewegung ergänzt worden, die einen kompromisslosen, ethisch begründeten Vegetarismus propagierte. Ihren führenden Theoretiker hatte sie in dem australischen Philosophen Peter Singer gefunden, dessen 1975 erschienenes Buch “Animal Liberation“ (Befreiung der Tiere) zum Gründungsdokument der Tierrechtsphilosophie wurde. Da war es nahe liegend, dass Helmut Kaplan sein Philosophiestudium 1987 mit einer Arbeit zu “Peter Singers Philosophie des Vegetarismus“ abschloss.

 

Ein Klassiker – sogar in Japan

 

Von nun an hatte die deutschsprachige Tierrechtsszene ihren eigenen Theoretiker, der mit bislang rund einem Dutzend Büchern (zuletzt erschienen: “Der Verrat des Menschen an den Tieren“), zahllosen anderweitigen Publikationen sowie öffentlichen Auftritten wie kein Zweiter die Debatte um Tierschutz, Tierrechte und Vegetarismus prägt. 1993 erschien bei Rowohlt sein Buch “Leichenschmaus – Ethische Gründe für eine vegetarische Ernährung“. Längst ein Klassiker, der sogar ins Japanische übersetzt wurde. Den vom “Focus“ geprägten Begriff “Bibel“ mag Kaplan allerdings weniger. Nicht unbedingt aus persönlicher Bescheidenheit (Wer liest oder hört derlei nicht gern?).

 

Doch ihm geht es ja gerade um die Verbannung alles Religiösen und religiös Verbrämten aus der Ethik. “Religiöse Überzeugungen sind private Glaubenshaltungen“, erklärt Kaplan. “Tierrechte aber sind – ebenso wie Menschenrechte – allgemeinverbindliche Moral-, Rechts- und Gerechtigkeitspositionen.“

 Daher seien alle strikten Verknüpfungen von Tier- oder Menschenrechten mit bestimmten religiösen Vorstellungen unsinnig. Was übrigens auch umgekehrt gelte.

 

Denn die Schimäre einer moralischen Kluft zwischen Menschen und Tieren, die immer noch in der Ethik herrscht, habe vor allem religiöse Ursachen: “Zum Beispiel den Glauben, dass nur der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen sei und nur er eine unsterbliche Seele habe. Würden wir endlich ernst nehmen, was wir seit Darwin wissen – dass es EINE Evolution ALLEN Lebens gab und gibt –, würde diese Kluft verschwinden, und wir würden unsere moralische Verantwortung auch gegenüber Tieren erkennen.“

 

Diese Verantwortung muss für Kaplan darin münden, den Tieren Rechte zuzubilligen. Doch was sind eigentlich “Tierrechte“? “Es geht vor allem um das Recht auf Leben, um das Recht auf physische Unversehrtheit und um das Recht auf Freiheit von Schmerz und Leid – jedenfalls, so weit das von uns Menschen abhängt. Das bedeutet:

Wenn wir wissen, dass Tiere leiden, sollten wir Leiden verhindern. Und wo wir nicht sicher sind, ob Tiere leiden, sollten wir möglicherweise Leiden verursachende Handlungen unterlassen. Leider sind solche Erwägungen reine Theorie – weil wir in der Praxis selbst Tiere mit erwiesener größter Leidensfähigkeit behandeln, als wären sie leblose Gegenstände. Verwiesen sei nur darauf, wie in Schlachthöfen etwa mit Rindern oder Schweinen umgegangen wird!“

 

Einst die Sklaven – heute die Tiere

Helmut Kaplan sieht sowohl Menschen- wie Tierrechte als “ethisch begründete Rechte, die vor allem kulturellen Ursprungs sind“. Schließlich hätten wir uns im Laufe unserer Entwicklung dafür entschieden, allen Menschen grundlegende Rechte zuzugestehen. Und Kaplan erinnert: “Das war bekanntlich nicht immer so – siehe etwa die Sklaverei oder die Frauendiskriminierung. Und die Tierrechtsbewegung ist die logische und notwendige Fortsetzung anderer Befreiungsbewegungen, wie eben der Befreiung der Sklaven, des Kampfes gegen Rassismus oder für die Emanzipation der Frauen.“

Diese Einbeziehung nicht menschlicher Lebewesen ist das eigentlich Revolutionäre an der von Kaplan und anderen vertretenen Ethik. Galt es doch bis in die 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts als Konsens unter den Philosophen, dass ausschließlich der Mensch legitimes Subjekt der Ethik ist.

 

Dennoch will Kaplan nicht von einer “neuen“ Ethik sprechen: “Wir brauchen überhaupt keine neue Ethik, wir müssen lediglich die vorhandene Ethik konsequent zu Ende denken. Und vor allem anwenden!“

Das entscheidende Kriterium dabei sieht der Salzburger Philosoph in der Leidensfähigkeit. “Wenn wir wollen, wissen wir sehr genau, wie Tiere behandelt werden möchten. Dazu brauchen wir uns nur ehrlich und ernsthaft in deren Situation zu versetzen, um uns dann zu fragen, wie wir an ihrer Stelle behandelt werden möchten. Das wird uns in den allermeisten Fällen, etwa bei Tieren im Schlachthof oder im Versuchslabor, überhaupt nicht schwerfallen. Im Gegenteil: Unser moralisches Problem wird vielmehr meistens sein, dass wir uns so leicht in ihre Lage versetzen können!“

 

Der für Kaplan einzige wirkliche Ausweg aus diesem moralischen Konflikt (Biofleisch aus so genannter artgerechter Haltung ist für ihn nur eine “Notlösung“): Verzicht auf Fleisch und möglichst auch alle anderen Produkte vom Tier, also vegane Ernährung.

Doch ungeachtet dieser radikalen Forderung ist der Österreicher Realist genug, der Entwicklung und vor allem den Menschen Zeit zu geben: “Wenn jemand, der bis jetzt zwanzig Prozent vegane Lebensmittel gegessen hat, nunmehr vierzig Prozent solcher Lebensmittel isst, so ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn ein Fleischesser zum Vegetarier wird, so ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn ein Fleischesser, der bisher zehn Wurstsemmeln pro Woche gegessen hat, nur noch fünf isst, so ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Und wenn jemand, der noch nie über Tierrechte nachgedacht hat, beginnt, sich darüber Gedanken zu machen, so ist das ein Schritt in die richtige Richtung.“

Von Ingolf Bossenz

Mit Plutarch und “Leichenschmaus“ für die Rechte der Tiere

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Gruß Hubert

 

Dienstag, 10. Mai 2016

Eine Schande für die Menschlichkeit

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Der Vergleich ist da (mit den KZs) – ob ich es will, oder nicht. Ihre Augen, wenn sie durch die Spalten der Transporter blicken, drücken Empfindungen aus, die genauso von uns Menschen Besitz ergreifen würden: Verzweiflung, Unverständnis, Panik, Verwirrung, furchtbare Angst vor diesem Grauen, das sie erwartet. Sie spüren es. Der Nobelpreisträger Isaac Bashevis Singer, selbst ein Jude und Überlebender des Nationalsozialismus sagte einmal: „Für die Tiere ist jeder Mensch ein Nazi – für die Tiere ist jeden Tag Treblinka.“

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(c) Foto Daniela Böhm

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Redebeitrag am 5.12.2015 bei der Weihnachtsmahnwache am Odeonsplatz in München

„Das habe ich nicht gewusst“, kann heute kaum noch jemand sagen, wenn es um das Milliardenfache Leiden der Tiere geht. Ob es die Massentierhaltung ist, die Überfischung der Meere, ob es Tierversuche sind, das Töten von Tieren für die Pelzindustrie und vieles, vieles mehr – in allen Medien wird über die Qualen der Tiere berichtet. Fast jeder findet es furchtbar, aber im Verhältnis zu ihrem immensen Leid, entschließen sich wenige Menschen, entscheidende Schritte zu tun und zu handeln.

Was der Mensch heutzutage den Tieren antut, kann mit keinerlei Argumenten mehr gerechtfertigt werden. Es gibt keine Rechtfertigung für Qual, Leid, Missbrauch und gewaltsamen Tod. Und es gibt keine Wiedergutmachung. Wiedergutmachung gibt es nur an den Lebenden.
Der Holocaust Vergleich ist umstritten, auch in der Tierrechtsbewegung. Das hat seinen guten Grund, denn die Gräueltaten der Nationalsozialisten sind unvergleichbar in ihrer abgrundtiefen und grausamen Verachtung gegenüber anderen Ethnien. Und ich schäme mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich höre, dass es in diesem Land nach wie vor Menschen gibt, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben.

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Aber, und ich sage das mit allem gebührenden Respekt und tiefstem Mitgefühl gegenüber den Opfern des Holocaust: Ich komme nicht umhin an KZs zu denken, wenn ich die Lastwagen mit den Schweinen und Rindern bei den Mahnwachen am Münchner Schlachthof einfahren sehe. Der Vergleich ist da – ob ich es will, oder nicht. Ihre Augen, wenn sie durch die Spalten der Transporter blicken, drücken Empfindungen aus, die genauso von uns Menschen Besitz ergreifen würden: Verzweiflung, Unverständnis, Panik, Verwirrung, furchtbare Angst vor diesem Grauen, das sie erwartet.Sie spüren es. Der Nobelpreisträger Isaac Bashevis Singer, selbst ein Jude und Überlebender des Nationalsozialismus sagte einmal: „Für die Tiere ist jeder Mensch ein Nazi – für die Tiere ist jeden Tag Treblinka.“

 

(c) Foto Silke Huber(c) Foto Silke Huber

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Allein in Deutschland werden schätzungsweise jedes Jahr 50 Millionen Küken vergast oder geschreddert, weil sie männlich und dadurch für die Eierindustrie wertlos sind. (Quelle PETA.e.V. Stand Feb. 2015) Eines der vielen Verbrechen, das mit dem gnadenlosen Kapitalismus des Menschen und seinem vermeintlich unvermeidbarem Verzicht auf Fleisch gerechtfertigt wird. Ein Verbrechen bleibt aber ein Verbrechen, auch wenn die Schreie der Opfer nicht gehört werden und sie noch nicht als solche anerkannt sind.

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Das Wort Mord an den Tieren nehmen all jene, die ihn billigen, natürlich nicht in den Mund. Das haben wir hierzulande der katholischen Kirche zu verdanken, die das fünfte Gebot ausschließlich auf den Menschen bezieht, und einem sogenannten Tierschutzgesetz, dem die wichtigste Grundlage fehlt: Das Recht auf Leben.


Und was ist das für ein Tierschutzgesetz, das zu oft nicht eingehalten wird, wie es die vielen Schlachthausskandale beweisen? Schlachthöfe sind nicht nur Orte des Todes, sondern auch des grauenvollsten Missbrauchs. Aus reiner Gier einer subventionierten und gnadenlosen Fleischindustrie, die mafiöse Strukturen und Verstrickungen aufweist, werden im Akkord Tiere geschlachtet, oft genug mangelnd oder fehlbetäubt und schon vorher misshandelt. Es werden mehr Tiere geschlachtet, als Nachfrage vorhanden ist, und ihre Leichenteile deshalb in alle Welt verschickt oder in riesigen Kühlhallen gelagert, um eines Tages zum Dumpingpreis auf den Markt geworfen zu werden. Es ist ein durch und durch krankes und perverses System.

Die Dunkelziffer der trächtig geschlachteten Kühe ist enorm hoch. Um mehr Geld zu bekommen, denn der Preis rechnet sich nach Gewicht, oder um sich die Untersuchung zu sparen, schicken Betriebe sehr oft ihre trächtigen, manchmal sogar hochträchtigen Kühe in den Tod. Das ungeborene Wesen muss die Todesangst und Verzweiflung und schließlich den Tod seiner Mutter miterleben, bevor es in ihrem Leib qualvoll erstickt. Eine halbe Stunde dauert dieses Ersticken. Es gibt ein Grauen, für das es keine Worte gibt – ein Grauen, das unbeschreibbar ist, fast möchte ich sagen, unvorstellbar. Aber es passiert hier, auch am Münchner Schlachthof, inmitten dieser Stadt, die sich Weltstadt mit Herz nennt.
Für viele Menschen ist ein Tier weit weniger wert als eine Sache. Das neue Smartphone wird gehegt und gepflegt, wehe es fällt herunter und geht kaputt.
Aber ein Tier? Das ist ja nur ein Tier – ein Nutztier. Dieser vom Mensch erfundene Begriff soll das Töten rechtfertigen und degradiert ein Lebewesen zu einem Gegenstand, den er gebrauchen kann. Nur dass Gegenstände oft genug besser behandelt werden als Tiere.

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Das ist eine Schande für die Menschlichkeit.


(c) Foto Silke Huber(c) Foto Silke Huber

 

Die Fleischindustrie tötet nicht nur Abermilliarden von Tieren, sondern unseren Planeten gleich mit dazu. Ein Kollateralschaden halt – wie im Krieg. Und wie im Krieg wird er wissentlich in Kauf genommen – von der Fleischindustrie und der Politik. Der Ruf nach artgerechter Tierhaltung ist nichts weiter als ein erbärmlicher Versuch, das Gewissen zu beruhigen – kein Bauer oder Fleischkonsument streichelt ein Tier zu Tode. Die sogenannte artgerechte Tierhaltung ist nichts anderes als eine artgerechte Gefangenschaft bis zum gewaltsamen Tod durch Menschenhand.

Es grenzt nicht nur an Irrsinn, sondern es ist Irrsinn: Auf der einen Seite gibt es unzählige Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind – womit wiederum Zoos die Gefangenschaft von Tieren rechtfertigen – und andererseits werden bestimmte Tiere vom Menschen wie am Fließband produziert und durch die damit verbundene Futtermittelindustrie Lebensraum bedrohter Arten zerstört.
Kein Tierleid ist ethisch vertretbar. Es gibt gibt genügend Möglichkeiten, sich tierleidfrei warm zu halten und ausreichend tierleidfreie Nahrungsmittel. Diese Aufzählung lässt sich weiter fortsetzen, wenn es darum geht, Tiere nicht für den Menschen leiden zu lassen.
Denn das Leid der Tiere ist ein Fakt und jeder von uns hat die Macht und mittlerweile auch die Pflicht, etwas zu verändern. Das Sterben dieses Planeten, der unser aller Grundlage ist, ist ebenso ein Fakt – die Massentierhaltung, welche die Natur zerstört, unvorstellbare Ressourcen verbraucht und auch für den Hunger in den ärmeren Ländern verantwortlich ist, ist keine Einbildung von ein paar verrückten Veganern, sondern mittlerweile eine anerkannte Tatsache.

Jeder Einzelne von uns kann ein Licht für die Tiere sein, das die Dunkelheit erhellt. Jeder Einzelne trägt selbst die Verantwortung, nicht Politiker oder Konzerne. Und jeder Einzelne von uns entscheidet über Leben und Tod jener Mitbewohner dieses Planeten, die schon lange vor uns da waren und das gleiche naturgegebene Recht auf Leben haben wie wir Menschen. 

 

(c) Foto Daniela Böhm
(c) Foto Daniela Böhm
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Eine Schande für die Menschlichkeit

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Gruß Hubert

 

Montag, 9. Mai 2016

Die letzte Bitte

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 Augen zu und durch, oder?

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Das macht gierigen, egoistischen und auf fragwürdigen Genuss bedachten Menschen ja nichts aus, wenn eine Kuh-Mama und ihr Kind um Gnade betteln. Hart und unbarmherzig geht es um Gewinn oder „Genuss“. Es ist traurige Realität was da tagtäglich, stündlich, gerade auch in diesem Moment passiert. Und so was möchte selbst ins Paradies, sich den Himmel verdienen?? Welche Schizophrenie und Schwachsinnigkeit!

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Diese Geschichte ist tatsächlich geschehen. Der einzige Unterschied zwischen Fiktion und Realität ist die Sichtweise, aus der sie erzählt wird.


Die letzte Bitte


Draußen ist es noch dunkel, als mich der Bauer herausführt. Es ist nicht das erste Mal, dass einige von uns um diese Zeit geholt werden.
Im Stall entsteht eine große Unruhe, denn diejenigen, die fortkamen, kehrten niemals zurück.
Der Bauer treibt mich mit einem Stock an, weil ich eine kleine Rampe hinauf soll. Ich tue es widerwillig. Ich möchte nicht fort und mein Leib ist schwer mit meinem Kleinen unter dem Herzen. Drei andere Kühe folgen mir in diesen Kasten. Wir werden mit Stricken festgebunden und dann höre ich einen lauten Schlag. Ich erschrecke. Der Lichtschein aus dem Stall ist verschwunden.

Ein letztes Mal dringen die Stimme des Bauern und die Rufe meiner Schwestern zu mir. Es sind Rufe der Trauer. Auch ich werde sie vermissen. Plötzlich höre ich merkwürdige Geräusche und der Boden beginnt zu wackeln. Mein Kleines bewegt sich. Es ist erschrocken, ich kann es fühlen. Wenn der Mond einmal leer und wieder voll geworden ist, wird es in diese Welt kommen.

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Wir haben Angst. Wir prallen aneinander, weil dieser Kasten ständig hin- und herschaukelt. Es gibt ein paar kleine Öffnungen, und als es zu dämmern beginnt, blicke ich hinaus. Ich sehe Felder und Wiesen, spüre den Luftzug an meinen Nüstern und höre den Gesang der Vögel. Doch bald verändert sich alles und ich sehe nur noch Häuser.
Wohin werden wir gebracht?
Kommen wir in einen anderen Stall? Ich hoffe es, denn ich bin müde und möchte mich hinlegen. Ich mache mir Sorgen um mein Kleines. Die Aufregung tut ihm nicht gut.
Vier Mal war ich schon Mutter. Doch jedes Mal wurde mir mein Kind nach ein paar Stunden entrissen. Und immer war ich wochenlang verzweifelt. Ich hoffe, dass es dieses eine Mal anders sein wird und mein Kleines bei mir bleibt.

 

Plötzlich bewegt sich der Kasten nicht mehr. Draußen ist es bereits heller Tag und ich blicke durch die Öffnung, um zu sehen, wo wir sind. Im selben Augenblick rieche und fühle ich etwas. Es ist etwas Furchtbares. Ein alles durchdringendes Grauen. Und Blut. Es ist von meinesgleichen. In mir breitet sich Angst aus. Was hat das zu bedeuten? Es dauert nicht lange und dann öffnet sich unser Kasten. Zwei Männer kommen hinein und binden uns los. Immer wieder sausen ihre Stöcke auf uns hinab. Ich wehre mich nicht, denn ich hoffe, dass ich mich bald hinlegen kann. Ich folge den anderen und den Schlägen der Männer und auf einmal sehe ich viele von uns. Ich gehe durch geöffnete Eisenstangen und höre ein klackendes Geräusch.

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Plötzlich weiß ich es: Ich komme nicht in einen anderen Stall, in dem ich mein Kleines zur Welt bringen kann.
Ich werde keine Felder mehr sehen oder das kühle Gras fühlen.
Ich werde nie wieder Sonnenstrahlen auf meinem Fell spüren und den Mond nicht mehr anblicken, wenn er dick und rund am Himmel hängt.
Und es wird keinen Sommer mehr geben – für mich. Diese Zeit im Jahr, in der ich nicht angebunden im Stall stand.
Ich stoße einen lauten Ruf aus.
Wenn ich sterbe, wird auch mein Kleines sterben.
Das darf nicht sein.
Es hat diese Welt noch nicht gesehen. All die Wunder des Lebens. Den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang. Die unzähligen Sterne am Himmel. Das Rauschen des Regens und das dumpfe Grollen der Gewitter, die ihm vorausgehen. Das Gezwitscher der Vögel und das Plätschern der Flüsse. Die bunten Bäume im Herbst und die Eiszapfen an der Stalltüre, wenn der Winter ins Land gezogen ist.
Es muss leben.
Verzweifelt bleibe ich stehen.
Ich bin die Letzte in einer langen Reihe.
Wohin werden wir geführt? Ich schaue mich um, aber ich sehe nur die anderen vor mir und neben mir, durch eine Eisenstange getrennt.
Ich blicke in die Augen eines Bruders.
Er spürt das Gleiche.
Das Grauen.
Die Männer sind grob. Immer wieder gehen sie durch die Reihen und treiben die anderen an. Aber niemand von uns will weitergehen in diese furchterfüllte Ungewissheit. Trotzdem bewegen sich alle zögerlich vorwärts. Ich höre klagende Rufe. Ein Mann hält etwas in den Händen – es ist kein Stock*. Aber wenn er jemanden von uns damit berührt, geht es ein Stück voran.

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Mein Kleines wird immer unruhiger. Es bewegt sich ständig. Ich versuche es zu besänftigen, während ich verzweifelt nach einem Ausweg suche. Vielleicht gibt es eine andere Öffnung, an den Eisenstangen entlang. Ich gehe langsam vorwärts, aber meine Hoffnung versiegt.
Es gibt keinen Ausweg.
Das kann nicht sein.
Mein Kleines muss leben.
Ich bleibe stehen und dann lege ich mich hin.
Ich bin so müde.
Aber ich beginne zu rufen.
Die Männer werden mich verstehen.
Sie werden meinen Leib sehen und wissen, dass dort neues Leben wächst.
Sie werden uns nichts tun.
Jetzt kommt einer der Männer zu mir. Er hält etwas in der Hand, das wie ein Stock* aussieht.
Ich blicke ihn an, aber er scheint durch mich hindurchzusehen.
Bitte, lass uns leben.

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Der Mann berührt mich mit diesem Gegenstand in seiner Hand und plötzlich fährt ein Schmerz durch meinen Körper. Ich brülle auf und mein Kleines strampelt verzweifelt.
Es kommt noch ein Mann mit einem Stock. Er schlägt mir auf den Kopf.
Bitte, lass uns leben.
Ich stehe nicht auf.
Ich will, dass mein Kleines leben kann. Es darf nicht sterben.
Die Männer müssen das doch verstehen?
Wieder berührt mich etwas und erneut spüre ich diesen Schmerz in jeder Faser meines Körpers.
Ich rufe immer mehr, so laut ich kann.
Bitte, lasst uns leben.

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Jetzt spüre ich auch Schmerzen in meinem Leib, weil das Kleine so um sich schlägt. Es hat große Angst.
Ich will es beruhigen, aber ich kann nicht.
Ich fürchte mich doch genauso.
Wieder versuche ich einen der Männer anzublicken und stoße einen verzweifelten Ruf aus.
Er schlägt mit seinem Stock auf mich ein.
Jetzt kommt ein dritter Mann.
Er sieht mich an.
Er schlägt oder berührt mich nicht.
Ich sehe, wie sein Blick über meinen Körper gleitet.
Er hat es gesehen. Das Leben in mir.
Bitte, lass uns leben.

 

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An seinem Blick erkenne ich, dass er meine Bitte nicht erfüllen wird.
Er geht fort.
Die Männer haben aufgehört, mir wehzutun.
Ein Luftzug streift mein Fell und ich hebe den Kopf.
Ich sehe ein Stück Himmel mit ein paar tanzenden Wolken.
Dann blicke ich den Mann an, der zurückgekehrt ist und einen großen Gegenstand in seinen Händen hält.
Ich weiß, dass es keine Hoffnung mehr gibt.
Ich habe es in seinen Augen gesehen.
Ich senke den Kopf und denke an mein Kleines.
Ich möchte es beschützen.
Noch einmal blicke ich in die Augen des Mannes.
Nimm mein Leben, aber bitte, lass mein Kleines leben.


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Dies ist eine wahre Geschichte, die sich tagtäglich überall auf der Welt in dieser oder einer ähnlichen Form wiederholt. Es sind fühlende Individuen, werdende Mütter, die dieses Martyrium erleiden müssen, genauso wie das ungeborene Leben in ihrem Leib.

Allein in Deutschland sterben jährlich ca.180.000 ungeborene Kälber. Sie müssen den Tod ihrer Mutter miterleben und ersticken anschließend qualvoll. Bis zu einer halben Stunde kann dieses Ersticken dauern. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Die meisten Bauern lassen ihre Kühe nicht untersuchen, bevor sie zur Schlachtung geschickt werden. Oftmals sind die Bauern keinesfalls unwissend, denn auch hochträchtige Kühe kommen zum Schlachthof.

Für hochträchtige Kühe (ab dem dritten Trimester) gilt eigentlich seit letztem Jahr ein Transportverbot. Es gibt leider Bauern, die es missachten (eine Kuh wird nach Gewicht bezahlt) und sobald das Tier auf dem Gelände des jeweiligen Schlachthofes ankommt, gilt das Seuchenschutzgesetz, d. h., das Tier kann nicht zurückgeschickt werden.
Die Schlachtung trächtiger Kühe ist eines der finstersten Kapitel der Milchindustrie.

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Selbst wenn ich noch alles Mögliche an menschlicher Interpretation oder Ausdrucksform in dieser Geschichte streichen würde – es bleibt die Realität: Ein Lebewesen in Todesangst um sein eigenes Leben und das seines Kleinen.

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„Ich bin Leben inmitten von Leben, das leben will.“ Dieser Satz von Albert Schweizer passt auch zu dieser Tragödie, die das Wesen Mensch dem Wesen Tier antut.


N.B. * „Er hält etwas in der Hand, das wie ein Stock aussieht.“ – Gemeint ist hier der sogenannte „Elektrotreiber“.

Zur Info:
www.welt.de/politik/deutschlan…
Bitte unterstützen Sie den Aufruf:
www.peta.de/schlachtung-schwan…

Bitte: Verzichten Sie auf den Konsum von Fleisch und Milchprodukten. Die Milchindustrie fördert die Fleischindustrie, da eine Kuh kalben muss, um Milch zu geben. Dadurch entsteht eine „Überproduktion“ an Kalbfleisch. Es ist Muttermilch – für das Kälbchen der Kuh bestimmt, welches sie in herkömmlichen Betrieben nicht einmal einen Tag lang behalten darf.

Stellen Sie sich vor, man würde einer menschlichen Mutter so etwas antun und ihre Milch einer anderen Art geben. Verrückt? Verrückt ist das, was der Mensch den Tieren antut.

Copyright (c) Daniela Böhm
www.danielaböhm.com
Copyright Bilder (c) Daniela Böhm

Die letzte Bitte

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Gruß Hubert