Mittwoch, 18. April 2007

Kirche und Tierschutz

Auszug aus einer Rede von Prof. Dr. theol. Erich Grässer

KIRCHE und TIERSCHUTZ

Ansprache von Herrn Prof. Dr. theol. Erich Grässer, Ordinarius für Neues Testament an der Universität Bonn.

Meine Damen und Herren, liebe Tierschützer

Dr. Andreas Grasmüller, der Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes, hat einmal gesagt: "Tierschutz ist kein Anlass zur Freude, sondern eine Aufforderung, sich zu schämen, dass wir ihn überhaupt brauchen."

Diese Scham wird von den christlichen Kirchen nicht geteilt. Diese unsere christliche Gesellschaft in diesem unserem christlichen Abendland lebt in einer beispiellosen Ehrfurchtslosigkeit vor der Schöpfung. Vom Robbenschlachten im hohen Norden bis zum Vogelmord im Süden, von der Vernichtung der Regenwälder im Westen bis zur Ausrottung der Wale in den fernöstlichen Meeren, auf der ganzen Linie liefert der Mensch den Beweis, dass es nie eine heuchlerischere Anmassung gab als die, sich selbst "Krone der Schöpfung" zu nennen. In Wahrheit ist der Mensch ihr gefährlichster Ausbeuter und ihr grösster Zerstörer. Und der Würde des Menschen, diesem hohen Verfassungsgut, dessen Unantastbarkeit unsere Politiker so gerne betonen, schlägt die gigantische industrialisierte Massentierquälerei brutal ins Gesicht. Es ist kein Zeichen von Menschenwürde, schwächere Lebewesen auszubeuten und zu quälen. Tiere sind schwach. Wenn wir ihre Schwäche ausnutzen, wenn wir mit ihrem unnötigen Leiden und mit ihrem unnötigen Sterben unseren Wohlstand und unseren Luxus mehren, wenn wir für jeden beliebigen Nutzen jedes beliebige Tieropfer fordern, dann haben wir unsere Menschenwürde verspielt und verdienen es nicht, eine sittliche Rechtsgemeinschaft genannt zu werden.
Und die Kirchen? Was ist mit Kirche und Tierschutz? Ich muss an dieser Stelle deutlich werden: Wenn einst die Geschichte unserer Kirche geschrieben wird, dann wird das Thema "Kirche und Tierschutz" im 20. Jahrhundert darin ein ebenso schwarzes Kapitel darstellen wie einst das Thema "Kirche und Hexenverbrennung" im Mittelalter. Und so, wie die Kirchen im 19. Jahrhundert bei der sozialen Frage versagten, und die Arbeiter aus der Kirche heraustrieben, so versagten sie heute im Tier- und Naturschutz und treiben die Tierschützer aus der Kirche heraus. Denn für Tierschutz hält sich die Kirche nicht für zuständig. Kirche sei für die Menschen da. Aber dieser Mensch ist doch gerade nach biblischer und kirchlicher Lehre ein Geschöpf Gottes inmitten anderer Geschöpfe Gottes...

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